Der erste Monat

Es ist wohl keine Überraschung wenn ich sage, dass die Zeit hier wie im Fluge vergeht. Während ich diese Zeilen schreibe, habe ich sogar schon ziemlich genau zwei Monate in Ames verbracht. Das heißt im Umkehrschluss, dass mir hier auch noch zwei Monate bleiben. Momentan kommt es mir so vor als wäre ich schon ewig an der ISU – der Alltag kommt dann wohl doch schneller als man denkt…
Wie auch immer, dieser Beitrag soll den ersten Monat (Mitte August bis Mitte September) zusammenfassen. Die letzten Artikel zeigen natürlich, dass ich vor allem an den Wochenenden viel unterwegs war. Doch was habe ich an den Werktagen getrieben?

Die Antwort auf diese Frage ist leicht: Uni. Laut meinen Unterlagen bin ich nämlich nur nebenberuflich Tourist und Vollzeitstudent. Na gut, Vollzeitstudent bin ich in der Heimat theoretisch auch,… Deutsche Studenten wissen was ich meine. Jedenfalls macht diese Bezeichnung in den Staaten schon etwas mehr Sinn. Zuhause bereitet man sich quasi auf einen großen Klausuren- und Hausarbeitsmarathon am Ende des Semesters vor, hier hat man kontinuierlich Klausuren, Projekte, Hausaufgaben, die fast alle benotet werden und sich somit auf die Gesamtnote auswirken. Natürlich gibt es auch hier Klausuren am Ende des Semesters, aber diese machen dann beispielsweise nur 20% der Note aus. Man sollte die ganzen Deadlines auf der Kursübersicht (Syllabus), die am Anfang ausgeteilt wird, also gut im Kopf haben, ansonsten fehlt einem mal schnell ein ganzer Batzen Punkte. Neben diesen ganzen Aufgaben gibt es auch noch ordentlich was zu lesen, damit einem auch ja nicht langweilig wird. Je nach Dozent wird durch Pop Quizzes nachgeprüft, ob man auch wirklich gelesen hat. Und ja, auch das fließt in die Note ein. Genau wie Anwesenheit. Abwesenheit kann die Note empfindlich beeinflussen.
Ich glaube, damit habe ich die ganzen abschreckenden Dinge aufgezählt. Aber keine Sorge, so schlimm ist es eigentlich gar nicht. Der Unterricht findet in einer sehr lockeren und angenehmen Atmosphäre statt. Ich habe Kurse aus dem 100er-Bereich (Erstsemester) und dem 400er-Bereich („Senior“, also kurz vorm Bachelor). Der Stoff aus diesen Kursen ist zwar unterschiedlich schwer, doch insgesamt empfinde ich das Anforderungsniveau als niedrig. Klausuren und Aufgaben werden darüberhinaus auch sehr großzügig bewertet. In allen meinen bisherigen Klausuren durfte man sich übrigens 1 DIN-A4-Seite Spicker mitnehmen, das macht die Sache noch leichter. Es ist also alles halb so wild. Das heißt trotzdem nicht, dass man nach den ersten Erfolgen aufhören sollte etwas zu tun…

Außerhalb der Uni passiert auch so einiges. Ich habe mich gut in meinem Zimmerchen eingelebt und komme super klar. Waschen geht auch gut von der Hand, nachdem ich mich damit mal wirklich auseinandergesetzt habe. Vom Fleisch falle ich hier sicher nicht, an jeder Ecke gibt es Nahrung – entweder von der Uni oder mehr oder weniger bekannten Ketten. Amazon.com kümmert sich um den Rest.
Ich bin insgesamt zufrieden mit der Behausung in Wallace, es gibt jedoch einige Details, die nerven: Das Hochbett wackelt wie Sau und beim Hochklettern stoße ich mir den Kopf, die Matratze landete also nach wenigen Tagen auf dem Boden unter dem Bettgestell. Dort schläft es sich besser, solange bis einem die Morgensonne (Hallo, Ostseite!) mitten ins Gesicht scheint und einem am Weiterschlafen hindert. Die Rollos/Blenden sind nicht allzu toll und lassen doch einiges an Licht durch. Daher habe ich mein Schlafquartier auf das Futonsofa verlegt, dort kommt weniger direktes Licht an und es ist auch nicht ganz unbequem. Ich glaube trotzdem, dass eine richtige Matratze zwischen dem Metallgestänge und mir ganz gut täte. Ach was, ich bin jung, ich kann das ab!
Im 5. Stock gelandet zu sein ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite hat man hier wirklich viel Ruhe und wird nicht gestört. Auf der anderen Seite heißt das, dass hier absolut NICHTS los ist. Meine Nachbarn sind alle total nett, etwas geekig, aber nett – doch man trifft sie höchstens mal auf dem Klo oder im Aufzug. Im 10. Stock sieht es da z.B. anders aus, dort ist eine ständige Party am Laufen. Hat alles Vor- und Nachteile. Achja, was ich von meinen direkten Nachbarn mitbekomme: Gesangsübungen von rechts und Ego-Shooter- und Sex-Geräusche von links. Naja, ich habe ja meine ziemlich gut isolierenden Kopfhörer dabei…
Ansonsten ist der Wallace-Turm nicht sehr gut klimatisiert. Also es gibt keine Klimaanlage. An heißen Tagen ist deine Bude heiß. Entsprechend seinem Alter und mangelnder Isolierung soll es laut Hören-Sagen an kalten Tagen auch ziemlich kalt sein… Mal sehen.

Die meisten Leute, die ich hier kennengelernt habe, sind Europäer und andere internationale Studierende. Durch blöde Missverständnisse mit den Programmverantwortlichen musste Johannes, einer der dt. Studenten hier (siehe frühere Artikel), leider schon frühzeitig abreisen. Ärgerlich, war er doch einer von zwei Deutschen hier in Wallace und ein cooler Typ obendrauf. Er vermachte mir aber seinen Ventilator, was einer der hilfreichsten Gegenstände in den ersten Wochen war. Danke Johannes! Ansonsten tummeln sich hier Leute aus Finnland, Schweden, Zypern, Spanien, Frankreich, der Schweiz und den asiatischen Gefilden. Generell ziemlich viele aus den asiatischen Gefilden. Ich meine, ich hab kein Problem damit – das habe ich nur nicht erwartet in Iowa. Sehr interessant. Jedenfalls ist die Wallace Gang eine ziemlich coole Truppe, mit der man sehr viel Spaß haben kann. Dann gibt es noch die andere Gruppe Deutscher, die im Frederiksen Court lebt. Supernette Menschen aus der Nähe von Kiel. Dazu später noch mehr. An Kontakten mangelt es hier jedenfalls nicht.
Natürlich habe ich auch diverse Amerikaner kennengelernt – in Wallace oder im Unterricht. Mit letzteren habe ich aber nicht wirklich viel zu tun, auch wenn sie alle sehr sympatisch sind.

Neben den ganzen Unternehmungen, dem Unikram und den spontanen Sit-Ins in diversen Räumen von Wallace treibe ich eigentlich das gleiche, was ich zuhause auch machen. Zocken, Filme und Serien gucken, skxypen und ein bisschen lesen. Zocken funktioniert leider nur mäßig gut, da ich dank der Zeitverschiebung eher wenig Kontakt mit meinen Freunden zuhause habe – und alleine ist es halt nur halb so lustig. Daher habe ich mir einen TV Tuner für mein Notebook besorgt und schaue Fernsehen oder Filme und Serien über Netflix – ein toller Dienst, der in Deutschland definitiv fehlt. Es ist übrigens toll meine Lieblingsserien mal live zum Ausstrahlungstermin sehen zu können – auch wenn die amerikanische Werbung größtenteils noch schlimmer als die deutsche ist…

Das mag vielleicht nicht so klingen, aber hier ist doch recht schnell der Alltag eingekehrt. Das heißt aber nicht, dass ich keinen Spaß habe – ich fühle mich wohl hier, sehr sogar.

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